Utl.: Unverständlicher Umfaller der FPÖ
10. 7. 2002 – Wien (SK) “Die ÖVP reagiert wie ein trotziges kleines Kind, dem der Verfassungsgerichtshof sein Spielzeug weggenommen hat” erklärte am Mittwoch Günter Tolar, Bundesvorsitzender der SoHo (Initiative Sozialismus & Homosexualität) zum “Gesetzespfusch” der Bundesregierung in der heutigen Nationalratssitzung. “Eigentlich geht es der ÖVP aus aktuellem Anlass um Homophobie und nicht um den dauernd vorgeschobenen Jugendschutz. Denn für eine Neuregelung des Sexualstrafrechts hätte sie sowohl in den letzten zwei Jahren als auch in der SPÖ-ÖVP-Koalition genügend Zeit gehabt”, stellte Tolar fest und betonte: “Von der ÖVP habe ich mir nichts anderes erwartet, umso mehr bin ich von der FPÖ enttäuscht. Die Zustimmung der Freiheitlichen zu diesem eiligst konstruierten Gesetzespfusch ist ein unverständlicher Umfaller einer Partei, die sich in dieser Frage schon liberaler gegeben hat.”
“Auch wenn führende ÖVP-Politiker nun scheinheilig betonen, dass sie ‘niemals’ Homosexuelle diskriminieren wollten, ist die Absicht der ÖVP klar erkennbar: ‘Wir lassen uns den Paragraf 209 nicht wegnehmen’. Seit 1989 war die ÖVP strikt gegen jede Änderung beim Paragraf 209″, erklärte Tolar gegenüber dem SPÖ-Pressedienst. “Diese Neuregelung betrifft in ihrer schwammigen Formulierung nicht nur Homosexuelle, sondern auch tausende heterosexuelle Jugendliche. Eltern haben nun legale Möglichkeiten zur Verfolgung unerwünschter Beziehungspartner. Gleichzeitig birgt vor allem die unklare Formulierung ‘Unreife’ die Gefahr, dass lesbische und schwule Jugendliche bei dieser Bestimmung anders behandelt werden als ihre heterosexuellen AltersgenossInnen”, so Tolar.
“Daher war ich für ein Nachdenken während der Sommerpause und eine sachliche Diskussion zur Reform des Sexualstrafrechts. Gerade die Frage der jugendlichen Prostitution ist natürlich ein ernsthaftes Problem und so wäre eine neue Bestimmung betreffend ‘Sex gegen direktes Entgelt’ durchaus sinnvoll”, betonte Tolar und bedauerte: “Der durch keine Sachzwänge begründete Gesetzes-Schnellschuss hat eine solche sachliche Diskussion mit Strafrechtlern, Richtern und anderen ExpertInnen nun leider verhindert”.
“So sehr ich mich über liberale Aussagen einzelner FPÖ-Abgeordneter freue, umso mehr bedauere ich das völlig entgegengesetzte Abstimmverhalten der FPÖ. Wir werden uns daher in Zukunft sehr genau ansehen müssen, ob wir solch verheißungsvollen Auftritten einzelner FPÖ-Politiker überhaupt noch glauben können”, konstatierte Tolar und betonte abschließend: “Eines freut mich bei allem Ärger über diese dumme Ersatzregelung sehr: Heute wird mit dem Paragraf 209 endlich die letzte diskriminierende Sonderbestimmung gegen Homosexuelle aus dem österreichischen Strafrecht beseitigt – genau 31 Jahre nachdem am 8. Juli 1971 der österreichische Nationalrat das Totalverbot von Homosexualität abgeschafft hat”. (Schluss) bmm