Tolar: “Bestürzt, dass KZ-Haft bei Homosexuellen als normale Strafhaft angesehen wird”

Utl.: Bericht der Historikerkommission beweist Ungleichbehandlung Homosexueller im Opferfürsorgegesetz

24. 2. 2003 – Wien (SK) „Ich bin zutiefst bestürzt, dass die KZ-Haft bei Homosexuellen von der Republik Österreich immer noch als normale Strafhaft angesehen wird“, empörte sich heute Günter Tolar, Bundesvorsitzender der SoHo (Initiative Sozialismus & Homosexualität), anlässlich der Präsentation des Berichts der Historikerkommission. „Die Historikerkommission und ihre Wissenschafter haben gute Arbeit geleistet und sachlich aufgezeigt, wie die Republik Österreich seit 1945 mit homosexuellen NS-Opfern umgeht. Für diese Arbeit ist ihr zu danken“, betonte Tolar und stellte fest: „Anzuprangern sind jene Politiker von ÖVP und FPÖ, die die Ungleichbehandlung Homosexueller im Opferfürsorgegesetz immer noch verteidigen. Es kann doch nicht sein, dass wir heute noch darüber diskutieren müssen, ob Homosexualität im Dritten Reich ein ’normaler‘ Straftatbestand war und Lesben und Schwule daher ‚zurecht‘ im Konzentrationslager inhaftiert wurden. Da bin ich einfach fassungslos.“

So wird im Bericht der Historikerkommission auf Seite 370 festgehalten „Bestimmte Opfergruppen, wie auf Grund ihrer sexuellen Orientierung oder als angeblich ‚asozial‘ Verfolgte, bleiben bis heute vom OFG ausgeschlossen“ und auf Seite 341f ausgeführt: „Homosexuelle bleiben vom Begünstigungsrecht nach ASVG ausgeschlossen, weil ihre Verfolgung nicht unter die im Gesetz genannten Verfolgungsgründe subsumierbar ist. … Auffällig ist hierbei (Anm. Strafrechtsänderungsgesetz 1974), nicht nur, dass der politische Akt einer rückwirkenden Einbeziehung der verfolgten Homosexuellen nach der weit gehenden Entkriminalisierung dieser Gruppe unterlassen wurde. Es verwundert vielmehr auch, dass auf Grund formalrechtlicher Erwägungen sogar die Anhaltung im Konzentrationslager, die keinesfalls als rechtsstaatliche Maßnahme betrachtet werden kann, im Sinne einer Bestrafung nach österreichischem Recht interpretiert wurde.“

„Immerhin wurde seit 1995, als auch Behinderte ins Opferfürsorgegesetz aufgenommen wurden, von SPÖ und Grünen versucht, die ungerechte Ungleichbehandlung Homosexueller zu beenden“, erklärte Tolar. Dazu müsste nur §1 Abs. 2 im Opferfürsorgegesetz um die Wortfolge „sexuellen Orientierung oder auf Grund des Vorwurfes der sogenannten Asozialität“ erweitert werden. „Diese kleine Gesetzesänderung scheiterte bis zuletzt an ÖVP-Sozialsprecher Feurstein, der noch am 18. Mai 1995 in den Salzburger Nachrichten homosexuelle NS-Opfer mit Notzuchtverbrechern gleichstellte und der im Sozialausschuss am 1. Juni 2001 meinte, dass er ’noch prüfen wolle, ob es hier überhaupt noch Fälle gibt‘. Ich sehe daher jetzt die Chance bei der ÖVP, dass nach dem Abgang von Feurstein ein Nachfolger mit Menschenrechtsverständnis sein Amt antritt.“

Zugleich sind laut Tolar aber auch die Opferverbände und die Opferfürsorgekommission gefordert: „Der Opferfürsorgekommission im Sozialministerium gehören Organisationen wie die Vertreter der ÖVP-Kameradschaft der politisch Verfolgten, des Bundes sozialdemokratischer Freiheitskämpfer, Opfer des Faschismus und aktiver Antifaschisten und des Bundesverbandes österreichischer Widerstandskämpfer und Opfer des Faschismus (KZ-Verbandes) als Mitglieder an. Alle diese Organisationen haben die menschenrechtswidrige Position der Republik Österreich bisher widerspruchslos mitgetragen. Sie sind jetzt gefordert, uns bei der Gleichbehandlung im Opferfürsorgegesetz rasch zu unterstützen. Sonst müssen sie sich den Vorwurf gefallen lassen, dazu beizutragen, dass es in Österreich weiterhin rechtlose NS-Opfer gibt.“ (Schluss) wf/mm

Schlussbericht der Historikerkomission (PDF 44kb)