“Man wird nicht als Frau geboren: Man wird dazu gemacht.” Mit diesem Satz aus dem Jahr 1949 löste Simone de Beauvoir unter Feministinnen eine breite Diskussion darüber aus, wie wir “Geschlecht” als soziales, kulturelles Konstrukt begreifen und was das bedeutet. Die Unterscheidung zwischen “sex”, dem biologisch angeborenen Geschlecht in Form von spezifischen Körper- und biologischen Merkmalen, und “gender”, dem sozialen Geschlecht bzw. der Geschlechtsidentität, ermöglicht uns nachzuvollziehen, wie in unserer Gesellschaft Kategorien geschaffen werden – aber auch wie sie gelöst werden können.
Feministische Bewegungen haben sich allerdings nicht immer als besonders inklusiv erwiesen. Die Frage danach, wer die Deutungshoheit über die feministischen Forderungen hat, war lange davon geprägt, dass es privilegierte, weiße Frauen waren, die ihre eigene Lebensrealität als den Mittelpunkt der feministischen Kämpfe ansehen. Schwarze Frauen bzw. Women of Colour kämpfen seit jeher für einen intersektionellen Feminismus, der anerkennt, dass die Lebensrealitäten, die Erfahrungen von Diskriminierung und Ungleichbehandlung nicht alle gleich sind. Diesen Ansatz ernst zunehmen braucht auch ein neues Verständnis davon, für wen die feministischen Kämpfe stattfinden. Denn es gibt nicht nur die eine Lebensrealität, die eine Frau ausmacht. Neben rassistischen und klassizistischen Strukturen gibt es aber auch Argumente, die an den biologischen Gemeinsamkeiten von Cis-Frauen ansetzen. Menstruation, Schwangerschaft, Chromosome. Auch hier gilt jedoch: Nicht alle Frauen menstruieren, nicht alle können schwanger werden. Macht sie das dann weniger zu einer Frau? Die Diskussion darüber, wer nun eine Frau ist, betrifft aber nicht nur die Ausrichtung der feministischen Kämpfe. Es geht dabei auch um den Zugang zu geschlossene Frauenräume – seien es Sportstätten, WCs, feministische Diskussionen, geschlechterspezifische Unterbringungsorte, wie etwa Asylheime oder Gefängnisse, oder Schutzräume, wie etwa Frauenhäuser.
Nun gibt es Feminist*innen, die transidente Frauen von diesen geschlossenen Räumen ausgrenzen (wollen). Sogenannte TERFs sprechen Trans-Frauen das Frau-Sein ab. Sie beharren darauf, dass das biologische Geschlecht festgelegt und unveränderlich ist. TERF steht für „Trans-Exclusionary Radical Feminism“. Ins Deutsche übersetzt bedeutet das soviel wie „trans-ausschließenden radikalen Feminismus“. Dabei handelt es sich um verschiedene Ebenen einer transfeindlichen Haltung – sie reichen vom Anzweifeln der Identität von Transfrauen bis hin zur Negierung ihrer Existenz. Neben offensichtlich transfeindlichen Argumenten – wie etwa jenem, dass es sich bei ihnen um verkleidete Männer handle – wird aber auch über die Definition des Frau-Seins diskutiert. Dabei liegt der Fokus auf den scheinbar gemeinsamen Erfahrungen von Cis-Frauen, die Menschen, die als Männer sozialisiert wurden, angeblich nicht teilen können. Doch welche Erfahrungen sollen das denn sein? Übergriffe, Ausbeutung, schlechtere Chancen am Arbeitsmarkt, Reproduktion oder frauenfeindliche Aussagen – all das erleben auch transidente Frauen. Wenn Feministinnen davon sprechen, dass Transfrauen nun einmal nicht jene Erfahrungen gemacht haben, die sie zu “echten” Frauen machen, dann machen sie vor allem eines: Sie definieren ein Frau-Sein, dass auf ihrer eigenen Lebensrealität beruht.
Im Juni 1981 hielt Audre Lorde die Keynote auf der Konferenz der National Women’s Studies Association. Die schwarze, lesbische, feministische Autorin, Poetin und Aktivistin verwies dort auf das fehlende Verständnis rassistischer Strukturen. Viel zitiert aus dieser Rede sind folgende Zeilen: “I am not free while any woman is unfree, even when her shackles are very different from my own. And I am not free as long as one person of Color remains chained. Nor is anyone of you.” Daran möchten wir anschließen. Wer eine Frau ist, kann weder allein mit biologischen Kategorien noch mit dem Argument der Sozialisierung festgelegt werden. Der feministische Kampf dient der Befreiung aller Frauen – auch wenn sie nicht alle die gleichen Lebensrealitäten und Erfahrungen teilen.
Der SPÖ-Bundesparteitag 2021 hat daher beschlossen:
- Als Sozialdemokrat*innen bekennen wir uns zu einem transinklusiven Feminismus und sprechen uns gegen jede Form des Ausschlusses von Transfrauen aus feministischen Strukturen und Kämpfen aus.