Seit mehr als einem Jahrzehnt wird in Österreich über den dringend notwendigen Ausbau des Schutzes vor Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung diskutiert. Sowohl 2010 als auch 2012 gab es dazu bereits Einigungen der Sozialpartner*innen, der letzte Regierungsentwurf für die notwendige Ausweitung durch das „Levelling Up“ des Gleichbehandlungsgesetzes wurde im Jahr 2015 blockiert. Während die österreichische Politik in dieser Frage untätig blieb, gehören Diskriminierungserfahrungen auch heute noch zum Alltag vieler LGBTIQ-Personen in Österreich.
Schwule, Lesben, Bisexuelle, transidente, intergeschlechtliche und queere Personen sind auch in Österreich noch immer mit Ausgrenzung, Diskriminierung und Schlechterstellungen konfrontiert. Studien zeigen seit Jahren klar, dass ein dringender Handlungsbedarf für einen gesetzlichen Schutz vor Diskriminierung besteht. Während dieser Schutz bereits heute in der Arbeitswelt besteht, bleibt Österreich eines der wenigen EU-Länder, das ihn im Privatleben, beim Zugang zu Gütern und Dienstleistungen, nicht garantiert. Erst im Mai 2020 unterstrich das auch die bisher größte Erhebung zur Situation der LGBTIQ-Community durch die europäische Grundrechteagentur FRA. Dort wurde klar sich, dass insgesamt 35 Prozent der befragten LGBTIQ-Personen in Österreich im letzten Jahr Diskriminierungen außerhalb der Arbeitswelt erleben mussten: 7% der Befragten wurden bei Wohnungssuche diskriminiert, 21% in Bars oder Restaurants und 10% in Geschäften. Auch die Europäische Kommission betonte die Notwendigkeit eines umfassenden nationalstaatlichen Diskriminierungsschutzes im Zuge der ersten LGBTIQ-Strategie „Union der Gleichheit“ im Herbst 2020.
In der Praxis bedeutet das Fehlen eines Diskriminierungsschutzes, dass Personen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung noch immer aus Lokalen und Taxis geworfen werden dürfen, bei der Wohnungssuche und in jedem anderen Feld des Privatlebens diskriminiert werden dürfen. In all diesen Feldern sind Diskriminierungen aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit, einer Behinderung oder des Geschlechts bereits verboten. Und auch, wenn in den meisten Fällen Diskriminierungen gegen transidente und intergeschlechtliche Personen als Diskriminierung aufgrund des Geschlechts betrachtet werden und damit verboten sind, hat Österreich auch hier Aufholbedarf: Internationale Beispiele und die langen Forderungen von Selbstvertretungsorganisationen zeigen klar, dass ein umfassender Diskriminierungsschutz auch die auf europäischer Ebene, sowie durch den Europarat geforderten Schutzgründe Geschlechtsidentität, Geschlechtsausdruck und Geschlechtsmerkmale umfassen muss!
Als Sozialdemokratie haben wir bedingungslose auf der Seite all jener zu stehen, die sich im Kampf gegen Diskriminierung und Ungleichbehandlung engagieren. Das bedeutet in der Praxis nicht nur, dass die SPÖ sich für den vollen Schutz vor Diskriminierung im Gesetz und in der Verfassung einsetzen muss, sondern dass wir auch in allen anderen Bereichen gegen Ungleichheit, Schlechterstellung und Hass vorgehen müssen. Wir fordern, dass das offizielle Österreich eine klare, nachvollziehbare und mutige Strategie gegen Hass, Ausgrenzung und Diskriminierung vorlegt. Nicht nur im Gesetz, sondern auch im Alltag muss jeder Form von Vorurteilen der Kampf angesagt werden – bei Behörden und Gerichten, in der Bildungspolitik, in der Exekutive, ja sogar im Gesundheitssystem und der Pflege gibt es noch viel zu tun, damit jeder Mensch in Österreich vor Ausgrenzung geschützt wird! Und obwohl Österreich seit Beginn des Jahres 2021 endlich auch Hassverbrechen, beispielsweise gegen LGBTIQ-Personen, endlich statistisch erfasst, haben wir noch immer massiven Nachholbedarf, wenn es um gesellschaftlichen Einsatz gegen Hass geht. Dazu braucht es Schulung in Justiz und Exekutive, niederschwellige Anlaufstellen, wie es sie in vielen anderen EU-Ländern längst gibt, und vor allem ein Bekenntnis der Republik zu Sichtbarkeit und Antidiskriminierung auf allen Ebenen. Genau dafür muss die SPÖ sich einsetzen!
Der SPÖ-Bundesparteitag 2021 hat daher beschlossen:
- Die SPÖ fordert die Verankerung der Schutzgründe sexuelle Orientierung, sowie Geschlechtsidentität, Geschlechtsausdruck und Geschlechtsmerkmale im Gleichbehandlungsgesetz.
- Die SPÖ fordert die Verankerung der Schutzgründe sexuelle Orientierung, sowie Geschlechtsidentität, Geschlechtsausdruck und Geschlechtsmerkmale in Artikel 7 des Bundesverfassungsgesetzes.
- Die SPÖ fordert einen Nationalen Aktionsplan gegen Hass, Ausgrenzung und Diskriminierung auf allen Ebenen der öffentlichen Verwaltung.
- Die SPÖ fordert die Einrichtung eines bundesweiten Beratungs- und Servicesstelle für LGBTIQ-Antidiskriminierungsarbeit.