Die SoHo Oberösterreich richtet sich mit nachstehenden offenen Brief an Landeshauptmann Dr. Josef Pühringer (ÖVP) und seinen Koalitionspartner Landesrat Rudolf Anschober (Grüne) und hofft, dass beide die von ihrer jeweiligen Partei an den Tag gelegte Haltung gegenüber der von der SPÖ OÖ eingebrachten Resolution an die Bundesregierung zur Einführung von eingetragenen Partnerschaften nochmals überdenken.
An
Landeshauptmann Dr. Josef Pühringer, ÖVP
sowie den Koalitionspartner
Landesrat Rudolf Anschober, Grüne
Offener Brief
Linz, am 1. Juni 2006
Sehr geehrter Landeshauptmann Pühringer, werter Landesrat Anschober!
Mit großem Bedauern mussten wir feststellen, dass die von Seiten der SPÖ OÖ im oberösterreichischen Landtag eingebrachte Resolution an die Bundesregierung zur Einführung von eingetragenen Partnerschaften, an deren Ausarbeitung die SoHo-OÖ beteiligt war, keine ausreichende Mehrheit fand. Kein einziger ÖVP-Abgeordneter scheint bereit zu sein, einen auf europäischer Ebene längst als Mindeststandard geltenden Schritt in Richtung Gleichberechtigung von gleichgeschlechtlichen Partnerschaften unterstützen zu wollen oder zu können.
Dies steht unserer Ansicht nach im klaren Widerspruch zur Landesverfassung, die das „Verbot jeglicher Diskriminierung im Sinn der Europäischen Menschenrechtskonvention“ unter Erläuterung auf Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung darlegt. Wir sind auch verwundert, da die Resolution alles andere als im Widerspruch zum schwarz/grünen Regierungsübereinkommen von 2003 steht, wonach die Koalition „die Nicht-Diskriminierung verschiedener und damit auch gleichgeschlechtlicher Partnerschaften anstrebt“. Die Regierungskoalition bleibt den Lesben und Schwulen in Oberösterreich diese versprochenen Änderungen im Landesrecht größtenteils immer noch schuldig. Wenngleich es den UnterzeichnerInnen bewusst ist, dass eingetragene Partnerschaften in die Gesetzeskompetenz des Bundes fallen, so stellt ein breites Bekenntnis des oberösterreichischen Landtages zum Abbau der Diskriminierungen homosexueller Partnerschaften an die Bundesregierung eine eindeutige Handlungsaufforderung dar.
Verwunderlich ist auch, dass die oberösterreichischen Grünen dieser sachlichen und inhaltlich der Europarat-Entschließung 1474/2000 vom 26. September 2000 übereinstimmenden Resolution nicht zustimmen wollen, nur um für den aus ihren Reihen stammenden Zivilpakt parteipolitisch die Werbetrommel rühren zu können. Sowohl die SPÖ OÖ als auch die SoHo-OÖ stehen voll und ganz hinter dem von der Bundes-SPÖ am 06. April 2005 im Nationalrat eingebrachten Gesetzesentwurf zur Schaffung eines Bundesgesetzes über die Eingetragene Partnerschaft, dennoch wurde die vorgelegte Resolution bewusst parteipolitisch neutral formuliert. Der oberösterreichische Landtag hat keine Gesetzeskompetenz bezüglich eingetragener Partnerschaften, die Diskussion über den von den Grünen vorgelegten Zivilpakt oder das von der SPÖ eingebrachte EP-Gesetz sollte deshalb auch nicht im Landtag geführt werden.
Es sollte auch nicht unerwähnt bleiben, dass die vorgelegte Resolution eine breite Basis hinter sich hat: die Forderungen entsprechen inhaltlich denen der Initiative „Gleich viel Recht für gleich viel Liebe“ aus dem Jahr 2000, die einzig von allen namhaften LesBiSchwulen Organisationen Österreichs – unter ihnen auch die Homosexuellen Initiative Linz – unterstützt wurde.
Homosexuelle Menschen sind im täglichen Leben leider auch heute noch – im 21. Jahrhundert – zahlreichen Diskriminierungen ausgesetzt. Probleme bestehen etwa im Mietrecht, bei Krankenbesuchen, im Erbrecht, bei der Mitsprache um die Bestattung des verstorbenen Partners sowie in der Sozialversicherung, wo anstatt gleichgeschlechtlichen Partnerschaften die selben Rechte einzuräumen, die bisher nur verschiedengeschlechtlichen Partnerschaften vorbehalten waren, die Möglichkeit der Mitversicherung für alle Lebensgemeinschaften im selben Haushalt ersatzlos aus dem Gesetz gestrichen wurde. Bei den meisten Punkten sind die Betroffenen auf das Gutwollen anderer angewiesen, bei manchen Punkten aber bedarf es Gesetzesänderungen. Sei es eine aufgeschlossene Krankenschwester, die beim Besuchsrecht ein Auge zudrückt, oder Angehörige, die dem trauernden Partner seinen ihm zustehenden Platz bei der Abschiednahme zugestehen.
Wir hoffen, dass sowohl die oberösterreichische Volkspartei als auch die Grünen in OÖ die Anliegen homosexueller Mitmenschen ernst nehmen und ihre Haltung gegenüber der von der SPÖ OÖ eingebrachten Resolution nochmals überdenken. Wir stehen selbstverständlich auch für persönliche Gespräche zum weiteren Austausch über unsere Anliegen zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Gerhard Friedinger, Landesvorsitzender
Michael Leiblfinger, Landessekretär
Franziska Ogris, Transgendersprecherin
Karl M. Sibelius MSC, Pressesprecher
Christopher Bauer, Jugendsprecher
Werner Dreer, Finanzreferent
Mag. Philip Rafalt, stv. Landesvorsitzender
Barbara Gerhold, Landeskontrolle
Günter Tolar, Bundesvorsitzender
(alle: ooe@soho.or.at oder SoHo OÖ, Landstraße 36, 4020 Linz)
Die Formulierungen verstehen sich in der jeweils geschlechtsneutralen Form.
Offener Brief an LH Dr. Josef Puehringer und LR Rudolf Anschober