Pride-Artikel: Familie der Vorurteile (SoHo OÖ)

Flyer “Wir sind Familie!”Familien mit Mutter, Vater und Kind sind heute – im 21. Jahrhundert – nur mehr ein Teil der gesellschaftlichen Realität. AlleinerzieherInnen, Pflege- und Patchworkfamilien sowie unverheiratete Lebensgemeinschaften zählen genauso zum Spektrum wie Regenbogenfamilien, also Familien mit zwei Vätern oder zwei Müttern. Doch genau diese Form wird jeden Tag mit Vorurteilen konfrontiert.

So würden Regenbogenkinder, die mit zwei Müttern oder Vätern aufwachsen, häufiger homosexuell als Kinder, die in „traditionellen“ Familien aufwachsen. Auch attestiert man Regenbogenkindern häufiger Verhaltensstörungen und wirft vor allem Regenbogenvätern immer wieder vor, sie würden ihre Kinder sexuell belästigen oder missbrauchen. Doch außer der Diskriminierung und Stigmatisierung durch die soziale Umwelt der Eltern und Kinder fehlt allen Behauptungen und Befürchtungen die wissenschaftliche Grundlage. Dies ergab jede einschlägige Studie der letzten Jahre, etwa die von Judith Stacey und Timothy J. Biblarz von der University of Southern California „(How) Does the Sexual Orientation of Parents Matter?“ (2001).

Wie die Diskussion in Wien über homosexuelle Pflegeeltern jedoch zeigt, hindert die Realität zahlreiche vor allem rechts(rechts)konservative PolitikerInnen nicht, ihre kirchlich geprägte Wertvorstellung mit Vorurteilen und Scheinwahrheiten zu vermischen und so bewusst Fehlinformationen jenseits der gelebten und wissenschaftlichen Realität zu verbreiten. Vom Sprichwort „Was der Bauer nicht kennt, isst er nicht“ abgeleitet wird immer wieder versucht, Unbekanntes und für sich selbst nicht Nachvollziehbares schlechter zu stellen. Doch niemand muss sich vorstellen, wie zwei Männer oder Frauen ihre Liebe sexuell auszudrücken vermögen, um die Tatsache annehmen zu können, dass zwei Väter oder zwei Mütter keine schlechteren Eltern sind. Oder glaubt irgendjemand, Jesus wäre ein schlechterer Mensch, wäre er von Josef und Mario oder Josefine und Maria aufgezogen worden?

Artikel von Michael Leiblfinger im aktuellen Pride Nr. 96