22. 7. 2003 – Wien (SK) “Die Regierung legt eine verschämte Mindesterfüllung der Vorlage zum Antidiskriminierungsgesetz vor, die wieder Diskriminierung schaffen wird”, kritisierte in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit SoHo-Bundesvorsitzenden Günter Tolar und Helmut Graupner (Präsident des Rechtskomitees Lambda, österreichisches Mitglied der EU-Experten-Arbeitsgruppe zur Bekämpfung der Diskriminierung aufgrund sexueller Orientierung) am Dienstag in einer Pressekonferenz zum Thema “Antidiskriminierungsgesetz für Lesben & Schwule statt Bartensteins Pflichtübung”. EU-Experte Graupner forderte vor allem für Homosexuelle eine stärkere Berücksichtigung im Gesetz: “Der österreichische Staat hat aufgrund seiner schändlichen Vergangenheit eine besonders hohe Bringschuld gegenüber dieser Gesellschaftsgruppe.”
“Manchmal denke ich, Österreich kann froh sein, schon Mitglied im Europarat zu sein – ich wäre froh, wenn Österreich beispielgebend ist und nicht nachhinkend”, sagte Schieder zur mangelhaften Umsetzung der EU-Richtlinien zum Schutz verschiedener Gruppen vor Diskriminierung. “Hier fand keine klare Erfüllung der Vorlage statt, Betroffene wurden nicht einbezogen”, empörte sich der SPÖ-Abgeordnete und sprach von einer “Mindesterfüllung” durch die Bundesregierung. Auch eine Durchforstung aller Bestimmungen auf Diskriminierung erfolge durch dieses Gesetz nicht, betonte Schieder. “Eine ungenügende, schlechte Erfüllung, die wieder Diskriminierung schaffen kann”.
Günter Tolar sprach von einem “Eintopfgesetz”. “Dieses Gesetz kommt einem aus der Sicht der Homosexuellen vor, als würde man einen großen Tisch machen und wir werden darunter gekehrt”, so Tolar. “Eine lästige Pflichtübung für die Regierung, die nur ein beschämendes Mindestmaß erfüllt”, kritisierte Tolar. “Wir verlangen mehr, als die EU vorschreibt, da wir hinten nach sind und Österreich eine der ‘grauslichsten Geschichten’, was die Homosexuellenverfolgung betrifft, hat”, sagte Tolar und forderte, sämtliche Richtlinien expressis verbis festzuhalten. “Wir wollen nicht in einem Eintopf verschwinden und untergehen und in der Anwendung des Gesetzes wieder homophoben Auslegungen ausgesetzt sein”, unterstrich Tolar.
“Die Vorlage zum Antidiskriminierungsgesetz schafft Diskriminierte erster, zweiter, dritter und vierter Klasse”, so Graupner. Es finde Diskriminierung innerhalb der diskriminierten Gruppierungen statt. Der vom Ludwig-Boltzmann-Institut für Menschenrechte ausgearbeitete Vorschlag wäre “eine gute Basis für ein umfassendes und wirksames Antidiskriminierungsgesetz”, zeigte sich der Rechtsanwalt überzeugt. Hingegen habe die Regierung mit ihrer Vorlage lediglich “im letzten Moment einen Schnellschuss abgegeben – gerade ein Land wie Österreich, dass ein höheres Maß an Diskriminierung aufweist, braucht ein wirksames Antidiskriminierungsgesetz.”
Helmut Graupner kritisierte, dass mit dem vorgelegten Gesetzesentwurf “nicht einmal das Minimum der EU-Richtlinien umgesetzt wurden”. So wurde beispielsweise die Richtlinie 78 – die Gleichbehandlungsrichtlinie – nicht ausreichend erfüllt, da Verbandsklagen nicht auf Eigeninitiative der NGOs möglich sind. “Diskriminierte tragen damit weiterhin das Kostenrisiko, wenn sie beispielsweise einen Unternehmer vor Gericht klagen – das ist ein wesentlicher Punkt, der in der Regierungsvorlage nur ungenügend erfüllt ist”, so Graupner. Auch die in der Richtlinie geforderte Beweislastumkehr bei etwaigen Klagen sei von der Regierung verwaschen worden. Es sei zwar erfüllt, dass der Kläger die Diskriminierung lediglich glaubhaft machen und nicht mehr beweisen muss, “dem Beklagten selbst reicht jedoch auch eine glaubhaft Machung, um die Klage abzuschmettern”, kritisierte der Rechtsanwalt Graupner die mangelhafte Umsetzung der Richtlinie durch die schwarz-blaue Koalition.
Die unzureichende Erfüllung der EU-Richtlinie im Bereich der Beweislast werde besonders im Fall von Diskriminierungen bei Bewerbungen und Beförderungen schlagend, unterstrich Graupner – “Dort gelingen Beweise sehr selten.” Wird eine Diskriminierung schließlich bestätigt, betrage der Schadenersatz maximal 500 Euro. “Da können große Unternehmen ja nur lachen – die zahlen das ohne mit der Wimper zu zucken aus der Portokasse”, stellte Graupner klar. Er forderte daher einen Mindestschadenersatz von 1000 Euro wie beim Schutz der Privatsphäre.
Entgegen den Vorgaben der EU-Richtlinie sei im österreichischen Gesetzesentwurf bei der Gleichbehandlungskommission kein Mitspracherecht für NGOs vorgesehen, kritisierte Graupner. Die Besetzung dieser Kommission, sie wird aus sieben ÖVP-Vertretern und vier Sozialpartnervertretern bestellt, lasse befürchten, dass diese Institution “zum sprichwörtlichen Salzamt für Homosexuelle wird.” “Der Vorsitzende wird von Gesundheitsministerin Rauch-Kallat bestellt, die im Wahlkampf gegen Homosexuelle gehetzt hat, und die Mehrheit der Mitglieder besteht aus weißen, katholischen Heterosexuelle – da wird der Bock zum Gärtner gemacht”, so Rechtsanwalt Graupner zum Abschluss. (Schluss) sk/dp
Die Unterlage zur Pressekonferenz – 22.07.03 – als PDF-Datei (137kB)