Günter Tolar
Gedenken am Morzinplatz / 8.5.2007
Am 8. Mai 1945 kapitulierte Nazideutschland bedingungslos.
Am 5. Mai 1945 wurde das KZ Mauthausen befreit.
Einige stichwortartige Anmerkungen dazu.
Im KZ Mauthausen waren ab 1938/39 bis zur Befreiung ständig Homosexuelle inhaftiert.
Homosexuelle wurden nicht nur von Gerichten abgeurteilt, sondern nach Verbüßung ihrer Strafe oder an Stelle eines Gerichtsurteils in Konzentrationslager eingewiesen.
Männer waren gekennzeichnet durch den Rosa Winkel.
Frauen waren gekennzeichnet mit dem Schwarzen Winkel als Asoziale.
Die Polizei bespitzelte die Bevölkerung massiv, um Homosexuelle als solche zu überführen. Die Kontrolle von Briefen verdächtiger Personen und die nur allzu bereitwillige Mithilfe der fanatisierten österreichischen Bevölkerung taten ein Übriges, um möglichst viele Menschen in die Hände der GESTAPO und der Gerichte zu bringen.
Einmal in den Fängen von GESTAPO oder Kriminalpolizei wurden die Verfolgten meist bedroht, erpresst und misshandelt. Die Nazis wollten Geständnisse, und, was ihnen ebenso wichtig war, sie zur Preisgabe der Namen weiterer Homosexueller bringen. Am Ende dieser Prozedur wurden die Verfolgten schließlich den Gerichten übergeben. Im Rahmen der Prozesse mussten die intimsten Details des Privatlebens öffentlich gemacht werden bevor zumeist die Höchststrafe gefällt wurde.
Die Übergabe an die Gerichte stellte jedoch nicht den Schlusspunkt der polizeilichen Auseinandersetzung mit den Opfern dar. In vielen Fällen wurden so genannte polizeiliche „Rückstellungsanträge“ gestellt, die die Verurteilten vor oder nach Verbüßen der Haft in ein Polizeigefängnis zurückbrachten.
Die so genannte „Schutz-“ oder „Vorbeugehaft“ befugte die Polizei, ihre Opfer auf unbestimmte Zeit festzuhalten und besondere Methoden im Umgang mit den Verfolgten anzuwenden. Im Klartext bedeutete dies die Befugnis zu Folter und Verstümmelung, für die uns heute die Vorstellungskraft fehlt, bis hin zur schrecklichsten Ausformung nationalsozialistischer Herrschaft, der Haft in Konzentrationslagern. Der Polizei war bei dieser Verfolgung kein zeitlicher Rahmen gesetzt, den Opfern standen gegen diese Art der Verfolgung keine wie auch immer gearteten rechtlichen Mittel zur Verfügung.
Homosexuelle zählten in den Konzentrationslagern zu den Häftlingskategorien mit dem wenigsten Ansehen, was bedeutete, dass sie vielfach noch geringere Überlebenschancen hatten als andere Häftlinge.
Weiters wurden sie vielfach besonders grausam von ihren Verfolgern behandelt, man ließ sich Foltermethoden einfallen, die menschliche Fantasie und menschliches Fassungsvermögen weit übersteigen. Dennoch waren es Menschen, die diese Methoden sich einfallen ließen und sie auch ausgeführt haben.
Darüber hinaus hatten Homosexuelle auch noch mit der Verfolgung durch die nationalsozialistische Medizin zu rechnen. Neben den meist verheerenden medizinischen Gutachten, die NS Ärzte während der Gerichtsprozesse verfassten, hatten sie auch damit zu rechnen, Opfer von wissenschaftlichen Versuchen dieser Mediziner zu werden. Neben häufig praktizierten Methoden wie der Zwangskastration gab es auch Experimente, bei denen den Opfern zum Beispiel künstliche Hormondrüsen eingepflanzt werden sollten – die Versuche endeten in praktisch allen Fällen mit dem Tod der Opfer. Die Zwangskastration, die viele physisch überlebten, wurde von einem Opfer als „psychische Hinrichtung“ qualifiziert.
Die Zweite Republik erkannte die Urteile der nationalsozialistischen Justiz jedoch als rechtmäßig an. Bereits gefällte Strafen mussten weiter verbüßt werden, Berufsverbote und andere Folgen, die sich aus NS-Urteilen ergaben, wurden aufrecht erhalten. Und sie SIND nach wie vor aufrecht.
Homosexuelle Opfer des Nationalsozialismus wurden als solche nie von der Republik Österreich anerkannt. Bis heute!
62 Jahre nach der Befreiung von der faschistischen Herrschaft ist es wichtiger denn je, sich zu erinnern.
Unfassbar ist die Zahl der 6 Million jüdischer Opfer des Nationalsozialismus.
Es gilt aber auch der Gruppe von Opfern zu gedenken, die weitgehend aus dem öffentlichen Blickfeld verschwunden ist – den cirka 10.000 – 15.000 in den Konzentrations- und Vernichtungslagern der Nazis ermordeten homosexuellen Männer und Frauen.
Ein Mann liebt einen Mann. Eine Frau liebt eine Frau. Ein Mensch liebt einen Menschen. Dafür wurden sie umgebracht.
Die Geschichte darf sich nicht wiederholen.
Es gibt noch genügend Länder, in denen Homosexuelle ermordet werden. Gehängt. Gesteinigt.
Aber schauen wir auf unser eigenes Land.
Gegen (neo)faschistische Parolen muss mit aller Entschiedenheit aufgetreten werden. Aber es müssen gar nicht Faschisten sein, die Homosexuellen werden auch von anderen Geistesrichtungen verächtlich behandelt.
Ihnen allen sei es gesagt; Liebe darf nicht verboten sein. Liebe darf nicht der Grund für Diskriminierung sein. Liebe ist die einzige Kraft, die Menschen zusammenführt.
In diesem Sinne gedenken wir heute, am Tag der Befreiung vom Faschismus, der Opfer der nationalsozialistischen Herrschaft.