Pride-Kolumne: Günter Tolar „AUS MEINER SICHT…“

guentertolar4-credit-patzak.jpg… tauchen in der Politik immer wieder neue Worte auf, die mir Angst machen. Ein solches Wort ist für mich neuerdings das Wort „verhandelbar“. Wie wir alle wissen, hat vieles im Leben seine 2 Seiten, aus gegebenem Anlass meine ich hier vorher und nachher. Ich greife ein Thema auf, bei dem sich der VSStÖ (Verband Sozialistischer StudentInnen in Österreich) und die SJ (Sozialistische Jugend) berechtigte Gedanken machen. Die Studiengebühren. Man kann sie einführen und man kann sie abschaffen. Mehr gibt’s nicht. Abschaffen heißt abschaffen. Da ist nichts „verhandelbar“. Der Hinweis, es war halt nur „eine private Meinung“, reicht nicht aus. Private Meinungen haben in der Politik keinen Stellen- und schon gar keinen Öffentlichkeitswert zu haben. Ich weiß, das Zurück-Ruder-Manöver fand schnell statt. Dennoch, ich bin angesteckt von der Unruhe.

An diesem Beispiel lassen sich nämlich auch unsere Themen festmachen. Eingetragene PartnerInnenschaft, Antidiskriminierung, Gleichstellung, Aufnahme der Homosexualität in den Schulunterricht – Freundinnen und Freunde, da ist nichts „verhandelbar“. Hier greift der blöde Spruch: „Ein bissel schwanger geht nicht!“ Entweder – oder. Ja oder nein! Natürlich weiß ich, dass Koalitionsverhandlungen (vor allem in der rot-schwarz-Variante) reine Kompromissfindungsveranstaltungen sind. Ein Kompromiss führt (fast) immer zu einer Abschwächung einer Thematik. Ich weiß auch, dass ich mit meiner Anzweifelung des Begriffes „verhandelbar“ genau der Partei (prophylaktisch) auf die Finger klopfe, die ich sonst an dieser Stelle (und natürlich nicht nur hier) so vehement verteidige.

Die SPÖ ist mit einem hervorragenden Programm zur Wahl angetreten, das es verdient, 1 : 1 umgesetzt zu werden. Es tut weh, dass Koalitionsverhandlungen eigentlich nur ein mehr oder weniger schmerzliches Nachgeben erzwingen. Meinetwegen nachgeben. Es gibt aber Programme, bei denen nachgeben aufgeben heißt. Unsere VerhandlerInnen seien daran erinnert, dass wir alle beim letzten Wahlkampf mit eindeutigen Versprechen und Zusagen wie die Deppen gerannt sind. Ich bleibe jetzt bei den oben genannten Beispielen. Wir haben den Leuten versprochen, wenn ihr uns wählt, dann werden wir die Studiengebühren abschaffen, die EP einführen, für kompletten Diskriminierungsschutz und absolute Gleichstellung sorgen. Wenn diese Zusagen jetzt „verhandelbar“ sind, dann ist schon allein dieses Wort eine schallende Ohrfeige für die Leute, die mit eben diesen Argumenten Wähler überredet haben.

Ich wünsche mir von der kommenden Bundesregierung schon sehr, nach Abschluss der Koalitionsverhandlungen nicht vor die Leute, die ich überredet habe, SPÖ zu wählen, hintreten und mich entschuldigen zu müssen.