Prammer, Posch, NGOs: Scharfe Kritik an unzureichenden Antidiskriminierungs-Vorschlägen der Regierung

Utl.: “Ziel muss ein umfassendes Antidiskriminierungsgesetz sein”

22. 4. 2004 – Wien (SK) Scharfe Kritik an den Gesetzesvorlagen der Regierung, mit denen die Antidiskriminierungs- und Antirassismusrichtlinie der EU umgesetzt werden sollen, übten Donnerstag SPÖ-Frauensprecherin Barbara Prammer und SPÖ-Menschenrechtssprecher Walter Posch in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit NGO-Vertretern und der Grün-Abgeordneten Stoisits. Kern der Kritik: Die Regierung versuche, nur das Notwendigste aus den EU-Richtlinien umzusetzen; wesentliche Aspekte eines echten Antidiskriminierungsgesetzes, wie etwa eine unabhängige Ombudsstelle, Beweislastumkehr und ein gleiches “Schutzniveau” für alle Diskriminierungsopfer fehlen.

Österreich sei schon seit geraumer Zeit bei der Umsetzung der zwei EU-Richtlinien zu Antidiskriminierung und zu Antirassismus säumig, so Prammer eingangs. Nun liegen zwei Regierungsvorlagen vor, die das Gleichbehandlungsgesetz für den öffentlichen Dienst und das für die Privatwirtschaft novellieren sollen und in denen Antidiskriminierungsbestimmungen, wie sie die EU fordert, einfließen. Für Prammer und Posch ist dies bereits der erste Kritikpunkt, da das Gleichbehandlungsgesetz ursprünglich zur Beseitigung von Diskriminierungen zwischen Mann und Frau geschaffen wurde. Gesetzliche Bestimmungen zur Antidiskriminierung, wie sie die EU-Richtlinien fordern, sollten auch in einem umfassenden Antidiskriminierungsgesetz enthalten sein, so die Forderung von SPÖ, Grünen und Opposition. SPÖ-Abgeordneter Posch sieht freilich wenig Chancen, dass es zu einem solchen umfassenden Gesetz kommt. Dazu gebe es keinerlei Signale von Seiten der Regierung. Im Parlament wird nun zwischen Opposition und Regierung über die beiden Regierungsvorlagen zur Gleichbehandlung verhandelt.

Zwtl.: Kritik an unterschiedlichen “Schutzniveaus”

Ein Hauptkritikpunkt sind die unterschiedlichen “Schutzniveaus” für unterschiedliche Diskriminierungsopfer. So ist der Schutz vor Diskriminierung etwa für Behinderte oder Angehörige ethnischer Minderheiten höher als der Schutz vor Diskriminierung wegen sexueller Orientierung oder Religionszugehörigkeit, kritisierte etwa Kurt Krickler von der Homosexuelleninitiative HOSI. “Einem homosexuellen Türken, der eine Discothek betreten will, kann zwar dann nicht mehr wegen seiner ethnischen Zugehörigkeit, wohl aber wegen seiner Homosexualität der Zutritt verweigert werden”, brachte Krickler ein Beispiel.

Neben einem einheitlichen Schutzniveau für alle Diskriminierungsopfer fordert SPÖ-Abgeordneter Posch weiters eine unabhängige Ombudsstelle, die nach den Vorstellungen der SPÖ bei der Volksanwaltschaft angesiedelt sein sollte, da diese dem Parlament und nicht der Regierung rechenschaftspflichtig ist. Auch die fehlende Beweislastumkehr und die “unverhältnismäßig geringen Strafen” sind für Posch ein zentraler Kritikpunkt an der Regierungsvorlage, ebenso wie die Tatsache, dass die NGOs nicht eingebunden werden. “Deshalb lehnen wir den vorliegenden Entwurf ab und hoffen, dass wir in den Verhandlungen doch noch zu einem effizienten Antidiskriminierungsgesetz kommen”, so Posch. Mitte Mai tagen die zuständigen Ausschüsse Gleichbehandlungs- und Menschenrechtsausschuss.

Zwtl.: NGOs: “Mit dieser Regierung kein Dialog möglich”

Auch die Vertreter der Nichtregierungsorganisationen kritisierten die Vorgangsweise der Regierung und den Inhalt der Regierungsvorlage scharf. Constanze Pritz vom Ludwig Boltzmann Institut für Menschenrechte, das einen eigenen Entwurf für ein Antidiskriminierungsgesetz erarbeitet hat, sprach von der “Ambitionslosigkeit” der Regierungsvorlage, die sich “wortgenau an die EU-Richtlinie hält, um ja nur kein höheres Schutzniveau im Gesetz zu verankern”. Und Adebiola Bayer von der Anti-Rassismus-Initiative ZARA verwies darauf, dass die EU-Richtlinie sehr wohl die Einbindung der NGOs vorsehe, von Seiten der Regierung aber nur die Sozialpartner eingebunden werden. Ähnlich Kurt Krickler von der HOSI: “Mit dieser Regierung ist kein wirklicher Dialog möglich.”

Zwtl.: Antidiskriminierung: Ausweichende Antworten von Ferrero-Waldner, klare Worte von Heinz Fischer

Präsentiert wurden im Rahmen der Pressekonferenz auch die Stellungnahmen der beiden Präsidentschaftskandidaten Heinz Fischer und Ferrero-Waldner, die zu konkreten Punkten des Antidiskriminierungsgesetzes befragt wurden. Vertreter der NGOs, wie z.B. Adebiola Bayer, kritisierten, dass Ferrero-Waldner, obwohl Mitglied der Regierung, die die Regierungsvorlage dem Parlament übermittelt hat, nur sehr ausweichend und oberflächlich Stellung bezogen hat. Im Gegensatz dazu habe sich Heinz Fischer konkret und im Detail für “ein gutes Antidiskriminierungsgesetz, das auch die Zustimmung von NGOs findet” (Fischer), ausgesprochen. (Schluss) ah