Mehr Sicherheit für Lebensgemeinschaften in Gemeindewohnungen

Utl.: Gleichstellung mit Ehen durch Mietvertrag für beide Partner ab 1. November 2002

30. 10. 2002 – Wien (RK) “Der Gemeindebau ist nicht nur bei der Mietzinshöhe vorbildlich, sondern hat auch bei den Mieterrechten eine Vorreiterrolle. Eine mieterfreundliche Hausverwaltung muss sich an den Bedürfnissen und Wünschen der Bewohner orientieren. Die Benachteiligung von Lebensgemeinschaften gegenüber Ehen ist ungerecht und wirkt sich für eine steigende Anzahl von Mietern negativ aus. Denn immer mehr Paare und Familien verzichten auf einen Trauschein. Deshalb hat Wiener Wohnen einen Schritt gesetzt, durch den ab 1. November Lebensgefährten in Gemeindewohnungen beruhigter und sicherer in die Zukunft blicken können. Ab diesem Zeitpunkt kann auch die Lebensgefährtin/der Lebensgefährte in den Mietvertrag einsteigen und hat dadurch wesentliche stärkere Rechte als bisher”, erklärte Wohnbaustadtrat Werner Faymann am Mittwoch in einem Pressegespräch.

In der Praxis von Wiener Wohnen, des Mieterhilfetelefons, der Mieterorganisation taucht immer wieder das Problem auf, dass LebensgefährtInnen im Unterschied zu EhegattInnen aufgrund des Mietrechtsgesetzes keine Möglichkeit haben, die Mietrechte unter Lebenden abzutreten. Diese Ungleichbehandlung führt in der Praxis immer wieder zu Härtefällen. Wird nämlich eine Lebensgemeinschaft aufgelöst und die Mietrechte durch den Hauptmieter beendet, muss derzeit auch der/die LebensgefährtIn die Wohnung verlassen.

Da das Mietrechtsgesetz ein Bundesgesetz ist, hat Wohnbaustadtrat Werner Faymann dort gehandelt, wo aufgrund der Tatsache, dass die Stadt Wien Hauseigentümerin ist, die Möglichkeit besteht : Im Bereich der 220.000 Wiener Gemeindewohnungen. Lebensgemeinschaften werden dort ab 1. November gleich wie Ehen behandelt. Möglich ist das dadurch, dass beide Partner beim Einzug in die Wohnung einen gemeinsamen Mietvertrag mit Wiener Wohnen abschließen. Bei bestehenden Mietverträgen kann der Lebenspartner bei mindestens zweijährigem Zusammenleben in den Mietvertrag mit Wiener Wohnen einsteigen.

“Es ist uns in den letzten Jahren gelungen, durch beschleunigte Vergabe und effizientere Verwaltung die Vormerkzahlen konstant zu halten. Das war die Grundvoraussetzung dafür, diese Verbesserung durchführen zu können. Denn das Ziel ist natürlich sozial, gerecht und zielgenau Wohnungen zu vergeben und vorbildlich mieterfreundliche Regelungen im Gemeindebau zu haben, gleichzeitig aber auch überschaubare Wartezeiten zu gewährleisten”, so Faymann.

Wiener Wohnen hat schon bisher sehr mieterfreundliche Regelungen, die weit über das Mietrechtsgesetz hinausgehen. So ist es zum Beispiel nicht mehr notwendig, dass Kinder oder Enkel im gemeinsamen Haushalt leben müssen, um die Gemeindewohnung ihrer Eltern oder Großeltern übernehmen zu können. Für Lebensgefährten des Mieters/der Mieterin allerdings gibt es bisher kaum eine Möglichkeit, in der Wohnung zu bleiben, wenn der Mieter/die Mieterin auszieht. Und das, auch dann, wenn die beiden vorher jahrelang zusammengelebt haben.

Diese rechtliche Gleichstellung von Lebensgemeinschaften mit Ehen ist aufgrund der veränderten Lebensweise der Wienerinnen und Wiener notwendig geworden. Die Zahl der Eheschließungen ist in den letzten Jahren kontinuierlich gesunken, die Zahl der Scheidungen hingegen gestiegen. Lebensgemeinschaften sind eine durchaus übliche Form des Zusammenlebens. Die Stadt passt hier Regelungen, die auf Ehe als “Normalform” zugeschnitten waren, an die modernen Gegebenheiten an.

Die Neuregelung im Konkreten:

Für neue Mietverträge (Pro Jahr werden etwa 12.000 Gemeindewohnungen vergeben):
Beantragen LebensgefährtInnen (gleich- oder verschiedengeschlechtlich) gemeinsam den Erhalt einer Gemeindewohnung, wird mit beiden Partnern der Mietvertrag abgeschlossen. Bei verschiedengeschlechtlichen Lebensgemeinschaften wird bei Mietvertragsunterfertigung eine Erklärung unterschrieben, dass im Falle der Auflösung der Lebensgemeinschaft derjenige die Wohnung behält, der für gemeinsame Kinder das Sorgerecht erhält. Greift diese Lösung nicht, muss eine Einigung zwischen den Lebensgefährten erfolgen. Der Austritt wird frühestens 2 Jahre nach dem Mietvertragsbeitritt genehmigt. Ausnahmen von dieser 2-jährigen Frist werden nur in besonders begründeten Fällen (z. B. Intervention des Jugendamtes) vorgenommen.

Für bestehende Mietverhältnisse:

Bei bestehenden Mietverhältnissen wird unter folgenden Voraussetzungen ein Beitritt zum Mietvertrag gestattet:

  • Zustimmung des Hauptmieters zum Mietvertragsbeitritt des/der Lebensgefährten/in.
  • Ein bisheriger gemeinsamer Haushalt (egal ob Haupt- oder Nebenmeldung) von mindestens 2 Jahren muss vorgelegen sein.
  • Der/die beitretende Lebensgefährte/in unterschreitet für sich allein oder zusammen mit seinem/seiner Partner/in die Einkommensobergrenzen nach dem WWFSG 1989.
  • Der/die Beitretende gibt die Vorwohnung auf, wenn eine vorhanden ist.
  • Sollte es gemeinsame Kinder geben bzw. aufgrund des Alters der Lebensgefährten eine Familienerweiterung erwartet werden können, so ist die Erklärung, wie sie beim Mietvertragsabschluss mit beiden Lebensgefährten ausgefüllt wird, zu unterfertigen. Dies bedeutet, dass im Streitfall die Wohnung demjenigen verbleibt, der das Sorgerecht für die Kinder erhält.
  • Der Austritt aus dem Mietvertrag wird dem/der bisherigen MieterIn frühestens 2 Jahre nach dem Mietvertragsbeitritt genehmigt. Ausnahmen von dieser 2-jährigen Frist werden nur in besonders begründeten Fällen (z. B. Intervention des Jugendamtes) vorgenommen.
  • Die Zinshöhe gilt bei LebensgefährtInnen, Ehegatten und Kindern bis zur Volljährigkeit weiter wie für die/den bisherige/n MieterIn.

Gemeindemieter sind rechtlich besser gestellt

Bereits vor dieser Neuregelung waren Gemeindemieter rechtlich besser gestellt als im Mietrechtsgesetz vorgesehen. So sind LebensgefährtInnen nach dem Mietrechtsgesetz nur eintrittsberechtigt, wenn der/die HauptmieterIn stirbt und entweder die Wohnung gemeinsam bezogen wurde oder seit mindestens drei Jahren ein gemeinsamer Haushalt bestand. Im Unterschied zum Mietrechtsgesetz gilt das Eintrittsrecht für LebensgefährtInnen im Todesfall bei Wiener Wohnen auch bei gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften (nach gemeinsamen Haushalt von 2 Jahren).

Das Mietrechtsgesetz (MRG) sieht das Recht der Abtretung der Mietrechte unter Lebenden und den Eintritt in die Mietrechte im Todesfall des bisherigen Mieters für Ehegatten, Geschwister und Verwandte in gerader Linie (Kinder, Enkelkinder, Eltern, Großelter, Adoptivkinder) vor. Stief- und Pflegekinder sowie Stief- und Pflegegeschwister haben diese Rechte laut Mietrechtsgesetz nicht, werden aber bisher schon von Wiener Wohnen gleich wie leibliche Kinder und Geschwister behandelt. (Schluss) gmp