Anfragebeantwortung: „Kampf gegen Hass im Netz“.

Nachfolgend finden Sie die Anfragebeantwortung von Justizminister Jabloner (21. Juni 2019):

 

Zu den Fragen 1 bis 5:

  • 1) Gibt es momentan Planungsschritte zur Schaffung der angekündigten Sonderstaatsanwaltschaft gegen Computerkriminalität und Hass im Netz noch in dieser Legislaturperiode?
  • 2) Wenn ja, wann soll es zur Umsetzung dieser Ankündigung kommen?
  • 3) Wenn ja, wo soll diese Sonderstaatsanwaltschaft angesiedelt werden?
  • 4) Wenn ja, welche Mittel sollen dafür zur Verfügung gestellt werden?
  • 5) Wenn nein, fühlen Sie sich nicht mehr an die Ankündigung Ihres Vorgängers bzw. der Vorgängerregierung gebunden? (Bitte um explizite Antwort)

Nach meinen Informationen wurde von meinem Amtsvorgänger keine Sonderstaatsanwaltschaft zur Bekämpfung von Computerkriminalität und Hass im Netz in Aussicht gestellt. Richtig ist, dass eine personelle Stärkung der Staatsanwaltschaften zur wirksamen Verfolgung dieser neuen Tatformen diskutiert wurde.

Mit der am 1. Jänner 2017 in Kraft getretenen Novelle der DV-StAG, BGBl. II Nr. 325/2016, wurde in § 4 Abs. 3 DV-StAG angeordnet, dass die Leiter der Staatsanwaltschaften dann, wenn es aufgrund der internen Gegebenheiten (insbesondere etwa im Hinblick auf die Personalsituation bzw. aufgrund entsprechenden Anfalls) zweckmäßig ist, Strafsachen nach dem Verbotsgesetz, wegen Verhetzung (§ 283 StGB) und terroristischer Vereinigung (§ 278b StGB), terroristische Straftaten (§§ 278c StGB), Terrorismusfinanzierung (§ 278d StGB) und Strafsachen nach den §§ 278e und 278f bzw. 282a StGB („extremistische Strafsachen“) in einem Referat zu vereinigen und einem Staatsanwalt, bei großem Umfang der Geschäfte mehreren Staatsanwälten, zu übertragen haben.

Ganz generell war und bin ich bestrebt, den Staatsanwaltschaften die erforderlichen personellen Ressourcen zur Verfügung zu stellen, damit diese die gestiegenen Herausforderungen insbesondere auf dem Gebiet der Terrorismusbekämpfung und des Cybercrime rasch und qualitätsvoll bewältigen zu können. Bei den nächsten Budget- und Personalplanverhandlungen werde ich mich daher nachdrücklich dafür einsetzen, dass meinem Ressort die entsprechenden Budgetmittel und Planstellen zur Verfügung gestellt werden.

Zur Frage 6:

  • Liegt die von Ihnen angekündigte Statistik der Verfahrenspraxis und Rechtsprechung in Bezug auf den Tatbestand der Verhetzung schon vor?
a. Wenn ja, bitte fügen Sie diese der Beantwortung dieser Anfrage an.
b. Wenn nein, wann wird diese Auswertung passieren?
  1. Von welcher Stelle wird/wurde diese Auswertung erstellt?

In Strafsachen wegen § 283 StGB besteht für die Staatsanwaltschaften entsprechend dem Berichtspflichtenerlass 2016 idF 2017 eine Gruppenberichtspflicht. Eine Berichterstattung an das Bundesministerium für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz hat demnach über die staatsanwaltschaftliche Enderledigung und den gerichtlichen Verfahrensausgang zu erfolgen. Auf Grundlage dieser Berichte erstellt die für Einzelstrafsachen und Extremismusdelikte zuständige Fachabteilung ein internes Verzeichnis über den Verlauf der einzelnen Verfahren (Anklage, Urteil, Diversion, Rechtsmittelentscheidung). Dieses Verzeichnis stellt keine Statistik dar, sondern soll vielmehr der Fachaufsicht einen Überblick verschaffen und die Herausfilterung von Entwicklungen und Auffälligkeiten ermöglichen. Hervorzuheben ist hier beispielsweise, dass die überwiegende Zahl der Verfahren Facebook- Postings betrifft. Als hauptsächlich betroffene geschützte Gruppen kristallisierten sich Flüchtlinge und Muslime heraus, weiters ist eine steigende Zahl an diversionellen Erledigungen zu beobachten, was der Überführung des vom Verein Neustart angebotenen erfolgreichen Programms „Dialog statt Hass“ vom Probe- in den Regelbetrieb geschuldet ist. Das Verzeichnis dient auch als Grundlage für die Überarbeitung des Leitfadens zum Tatbestand der Verhetzung sowie zur Beurteilung der Praktikabilität der geltenden gesetzlichen Bestimmung des § 283 StGB. Ich bitte aber um Verständnis, dass ich dieses Verzeichnis aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht anschließen kann.

Zur Frage 7:

  • Ist die von Ihnen angekündigte Aktualisierung des Leitfadens zum Tatbestand der Verhetzung aus dem September 2017 schon geschehen?
a. Wenn ja, bitte fügen Sie diese der Beantwortung dieser Anfrage an.
b. Wenn nein, wann wird diese Aktualisierung passieren?

An der Aktualisierung des Leitfadens zum Tatbestand der Verhetzung wird zurzeit gearbeitet, die Fertigstellung ist für Sommer 2019 geplant.

Zur Frage 8:

  • Welche Schritte bzw. Maßnahmen plant Ihr Ministerium darüber hinaus im Kampf gegen Hasskriminalität im Internet?

Abseits der Legistik liegt die Präventionsarbeit und Gefahrenabwehr primär im Ressortbereich des Bundesministeriums für Inneres (§ 21 SPG). Die Kernaufgabe des Justizressorts ist die Aufklärung bereits begangener Straftaten (§ 1 StPO). Hier wird auch bei im Internet begangenen Straftaten mit der gleichen Gewissenhaftigkeit wie bei sonstigen Straftaten umfassend ermittelt und werden bei Verurteilungen spezial- wie generalpräventive Aspekte berücksichtigt. Auch von im Internet begangenen Straftaten betroffenen Opfern steht darüber hinaus unter den gesetzlichen Voraussetzungen die Möglichkeit der Inanspruchnahme psychosozialer und juristischer Prozessbegleitung offen.

Auf die relativ neuen Phänomene der Internetkriminalität, insbesondere auf die Themen „hate crime“ und „hate speech“ wird seit einigen Jahren im Rahmen der Aus- und Fortbildung der Richter/innen und Staatsanwältinnen/Staatsanwälte besonderes Augenmerk gelegt.

Ausbildung:

Die einschlägigen Straftatbestände des Verbotsgesetzes sowie der Verhetzung werden im Rahmen der laufenden Ausbildungskurse für Richteramtsanwärter/-innen an konkreten Beispielen aus dem Netz besprochen; sie sind ebenfalls Prüfungsstoff bei der Richteramtsprüfung.

Zur vertiefenden Behandlung des Themenkomplexes Antisemitismus, Rassismus und Nationalsozialismus wird außerdem seit 2009 in Zusammenarbeit mit der Forschungsstelle Nachkriegsjustiz das „Curriculum Justizgeschichte“ für Richteramtsanwärter/innen angeboten, das u.a. Besichtigungen der Gedenkstätten „Am Spiegelgrund“ und Mauthausen beinhaltet. Seit 2017 ist dieses Curriculum für alle Richteramtsanwärter/-innen verpflichtend. Die jeweilige Durchführung wurde den Präsidenten der Oberlandesgerichte übertragen. Neben Grundlagenwissen zur neueren Justizgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts soll dabei der Themenkomplex „Antisemitismus, Rassismus und Nationalsozialismus“ vertieft werden. Ein weiteres Ziel ist aber gerade auch die Sensibilisierung der angehenden Richter/-innen und Staatsanwälte/-innen für den Bereich „Hass, Mobbing und Verhetzung als Phänomene des Internets und diverser Social Media Plattformen“. Die Auftaktveranstaltung zum Curriculum „Justiz- und Zeitgeschichte“ im Jahr 2017 widmete sich unter dem Titel „Hate Crimes“ genau dieser Thematik. 170 Richteramtsanwärter/-innen nahmen daran teil.

Fortbildung:

In der Fortbildung der Richter/-innen und Staatsanwältinnen/Staatsanwälte werden in den Feldern Rassismus und Hassverbrechen laufend Seminare und Tagungen zu Themen wie etwa „Cybercrime“, „Persönlichkeitsrechte im Internet“, „Forum Justiz: Social Media – eine Gefahr für Rechtsstaat und Demokratie?“ angeboten. Darüber hinaus beschäftigen sich österreichische Justizbedienstete in zahlreichen Fachseminaren mit einschlägigen Themen. Besonders hervorzuheben ist etwa das zweijährige „Curriculum für Jugendrichter/innen und Jugendstaatsanwält/innen“.

Zur weiteren Sensibilisierung aller Richter/innen, Staatsanwält/innen und Richteramtsanwärter/innen besteht zusätzlich zum justizinternen Fortbildungsangebot die Möglichkeit, an einschlägigen Fortbildungen ausländischer Veranstalter (zB. ERA, EJTN, ua) teilzunehmen, um so das Thema auch aus einem internationalen Blickwinkel betrachten und erörtern zu können.

RichterInnenwoche:

Die RichterInnenwoche 2019 war dem Thema „Digital Justice – Die Zukunft ist da“ und damit auch den Gefahren, die das Netz in strafrechtlicher und ethischer Hinsicht bietet, gewidmet.

Zur Frage 9:

  • Wie viele Anzeigen wegen Verhetzung wurden in weiterer Folge verfolgt? (Bitte beantworten Sie diese Frage aufgeschlüsselt nach Bundesländern)

Ich verweise auf die nach Bundesländern aufgeschlüsselten Jahresauswertungen aus der Verfahrensautomation Justiz zu Anfall und Anklagen iZm Verfahren wegen § 283 StGB:

Zur Frage 10:

  • Wie viele Fälle wurden seitens Ihres Ministeriums bzw. der nachgelagerten Dienststellen durch die von Ihnen in der Anfragebeantwortung 348/AB „Vereinbarung mit Facebook“ (seit deren Inkrafttreten) gemeldet?
a. Welche Ergebnisse konnten in diesen Fällen erzielt werden?
  1. Ist seitens Ihres Ministeriums in Bezug auf die Umsetzung dieser Vereinbarung eine Evaluierung o.ä. geplant?

In den staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren hat sich gezeigt, dass relevante Postings entweder bereits kurz nach der Anzeigeerstattung von den Beschuldigten freiwillig gelöscht oder im Hauptverfahren vor Gericht als Beweis benötigt werden. Soweit eruierbar – es erfolgt keine statistische Erfassung – wurden von den Staatsanwaltschaften nur in vereinzelten Fällen

Löschungsersuchen für erforderlich erachtet. Ob in der Folge jeweils das Löschungsersuchen oder andere Gründe für die tatsächliche Löschung maßgeblich waren, kann nicht mehr nachvollzogen werden. Die Kooperation mit Facebook gestaltet sich im Hinblick auf häufig geänderten technischen Vorgaben für die erforderlichen Schnittstellen schwierig, dennoch ist derzeit am Bestehen der Vereinbarung festzuhalten.