Christian Kern ist Parteivorsitzender der SPÖ und kam in den Jahren 2016 und 2017 als erster Bundeskanzler Österreichs auf die Wiener Regenbogenparade. Die SoHo sprach mit ihm für die erste Ausgabe unseres Magazins QueerGelesen
QueerGelesen: „Das macht mir eine diebische Freude, dass ihr in der Mitte der Gesellschaft steht und das repräsentiert, was Österreich ausmacht: Buntheit, Vielfalt und Offenheit“ – das waren Deine Worte auf der Regenbogenparade 2017. Damals wurde am Wiener Rathausplatz gejubelt. Ein Jahr später hat man eher das Gefühl, dass unsere Gesellschaft sich weiter auseinander bewegt. Trügt der Anschein?
Christian Kern: Natürlich gibt es gerade heute Kräfte, die ganz bewusst versuchen, einen Keil in unsere Gesellschaft zu treiben. Schauen wir uns die Bundesregierung an: Da soll mit einer „Wir gegen die anderen“-Rhetorik von dem abgelenkt werden, was wirklich passiert. Diskutiert wird über alle möglichen Blendgranaten, während gleichzeitig erfolgreiche Beschäftigungsprojekte für Langzeitarbeitslose gestrichen und massive Angriffe auf unser Sozialsystem gestartet werden. Das halte ich für wirklich gefährlich.
QG: Gleichzeitig engagieren sich aber auch immer mehr Menschen, besonders die Jungen, und suchen nach Wegen, selbst aktiv zu werden.
Kern: Das stimmt und das ist eine riesige Chance – für unser Land und unsere Demokratie. Denn am Ende geht es genau um das, was ich im vergangenen Jahr auf der Regenbogenparade betont habe: Den Zusammenhalt in unserem Land! Deshalb war es mir auch so wichtig, dort dabei zu sein. Denn es stimmt, die Community steht in der Mitte unserer Gesellschaft. LGBTIQs gehören zu unserem Land, unserem Alltag, unseren Familien, unseren Nachbarn. Worum es aber geht, ist dass wir uns alle gemeinsam für Chancengleichheit und ein gerechtes Leben für alle einsetzen!
QG: In Österreich wird ab spätestens 1. Jänner 2019 die Ehe in Österreich endlich für alle Paare offen stehen. Sind damit schon alle rechtlichen Probleme gelöst?
Kern: Die Ehe-Öffnung war ein wichtiger Schritt – auch wenn ich mir gewünscht hätte, dass eine politische Lösung nicht am Wider- stand der ÖVP gescheitert wäre. Aber damit haben wir noch keineswegs alle Probleme gelöst. Jetzt geht’s zum Beispiel um den Diskriminierungsschutz im Privatleben, es geht um Mobbing in der Schule und Ausgrenzung in der Arbeitswelt, die Absicherung von Regenbogenfamilien und vieles mehr. Für all das wird die Community in mir auch in Zukunft einen starken Bündnispartner haben!