28.04.2012 | 18:04 | von THOMAS PRIOR, Ulrike Weiser (Die Presse)
Seit Dezember 2008 ist Alois Stöger Gesundheitsminister. Im Gespräch mit der „Presse am Sonntag“ fordert er öffentliche Mittel für Lesben und alleinstehende Frauen bei künstlicher Befruchtung.
Herr Minister, Sie treten dezidiert für die künstliche Befruchtung für lesbische Paare und alleinstehende Frauen ein. Wie weit sind Sie mit Ihrer Mission bei der ÖVP?
Alois Stöger: Der Koalitionspartner tut sich bei dem Thema schwerer. Es gibt aber auch bei ihm wichtige Gruppen, die sagen, wir müssen moderner werden. Wer sich da durchsetzt, weiß ich noch nicht. Insofern bin ich sehr froh über die positive Empfehlung der Mehrheit der Bioethikkommission an den Verfassungsgerichtshof. Ich habe mit Frau Minister Karl auch eine Arbeitsgruppe zur Fortpflanzungsmedizin auf Beamtenebene eingerichtet. Diese Gruppe tagt noch im Mai.
Ist Ministerin Karl denn auf Ihrer Linie?
Sie war immerhin bereit, eine Arbeitsgruppe einzurichten.
Nehmen wir an, ein lesbisches Paar würde künftig erlaubterweise In-vitro-Fertilisation (IVF) in Anspruch nehmen. Das Kind könnte nach jetziger Rechtslage nur einen Elternteil haben. Soll sich das auch ändern?
Meiner Meinung nach steht dem nichts entgegen.
Sie wären dafür, dass die Partnerin der Mutter das Kind adoptieren darf?
Natürlich.
Könnten Sie sich auch eine „Co-Parent“-Regel wie in Großbritannien vorstellen? Dass – so wie das auch bei einer IVF bei einem heterosexuellen Paar passiert – die Partnerin der Mutter de facto durch Zustimmung zur künstlichen Befruchtung in die Rechte und Pflichten eines Vaters eintritt?
Das ist ein diskutierenswerter Ansatz.
Sind Sie generell für ein Adoptionsrecht lesbischer Paare – auch wenn es nicht um ein leibliches Kind eines Partners geht? Derzeit darf man nur als Einzelperson, aber nicht als Paar adoptieren.
Aus meiner Sicht spricht da nichts dagegen.
Das gilt dann auch für schwule Paare.
Ja. Wenn ein Mann allein ein Kind betreuen kann, warum sollen es zwei Männer nicht können? Ich glaube sogar, dass gleichgeschlechtliche Paare in der Hinsicht reflektierter sind, weil sie sich in der Gesellschaft mehr mit dem Thema auseinandersetzen müssen. Natürlich müssen sie dieselben Voraussetzungen wie heterosexuelle Paaren erfüllen – Altersgrenzen etc.
Wenn Lesben IVF erlaubt wird, sollen schwule Paare dann auch eine Leihmutter in Anspruch nehmen dürfen? Leihmutterschaft ist in Österreich verboten.
Über Leihmutterschaft müsste man breiter diskutieren. Da bin ich vorsichtiger. Ich bin dagegen, dass das zum Ausbeutungsinstrument wird. Bis jetzt ist es bei uns so, dass jene Frau die Mutter ist, die das Kind gebärt. In den USA ist es bei der Leihmutter nicht so. Ich halte mehr von unserer Regel, die die Frauen schützt. Ob man trotzdem Verträge erlaubt, müsste man sich genau anschauen.
Wer sollte die IVF für alleinstehende Frauen und lesbische Paare denn finanzieren? Sollen sie Anspruch auf öffentliches Geld aus dem IVF-Fonds haben?
Ja.
Sie haben die verschiedenen Meinungen in der ÖVP erwähnt. Ist Ihre Meinung denn SPÖ-Mainstream?
Es wird in der SPÖ viele verschiedene Meinungen geben. Aber die Partei ist aufgeschlossen gegenüber gleichgeschlechtlichen Paaren, auch was IVF und Adoption anlangt.
Die ÖVP hätte gern eine Statistik über Abtreibungen. So etwas gibt es in fast allen europäischen Ländern, in Österreich jedoch nicht. Warum wollen Sie das nicht?
Das hängt mit der Struktur der Leistung zusammen. Bei Privatleistungen gibt es keine Dokumentation, weil es auch kein Abrechnungssystem gibt. Wir wissen generell nicht, wie viele nicht medizinisch begründete chirurgische Eingriffe vorgenommen werden.
Kann man es nicht trotzdem vorschreiben?
Theoretisch ja, ich halte das aber nicht für sinnvoll.
Die ÖVP fordert vor einer Abtreibung auch ein Beratungsgespräch – eventuell ein verpflichtendes – mit einem Psychologen oder jemandem von einer Beratungsstelle. Was spricht dagegen?
Von verpflichtend halte ich gar nichts. Und ich sehe die Gefahr, dass so ein Gespräch zu einem ideologischen Instrument verkommt. Das will ich den Frauen nicht antun.
Herr Minister, was wurde eigentlich aus der Elektronischen Gesundheitsakte Elga?
Ich gehe davon aus, dass wir am 1. Juli 2013 in Elga einsteigen.
Wo ist das Problem? Sie wollten das Gesetz längst zum Beschluss vorlegen.
Wenn man im Gesundheitsbereich etwas verändert, muss man mit Ängsten und Teilinteressen der Partner umgehen. Das ist immer hochemotional.
Sie sprechen von der Ärztekammer. Am Dienstag war die letzte Landeskammerwahl in Oberösterreich. Wollten Sie diese noch abwarten?
Das hat mit Wahlen wenig zu tun. Es gibt Widerstand von einzelnen Ärztekammern, vor allem der Wiener.
Was ist der Hauptkritikpunkt?
Das ist eine unfestlegbare Angst vor allem Neuen und ein Misstrauen wegen des Datenschutzes. Aber wir werden die Daten außer den Medikationsdaten nicht zentral speichern und auch diese nur kurz. Der Patient kann außerdem nachsehen, wer konkret auf seine Daten zugegriffen hat. Das wird ein Quantensprung im Datenschutz.
Was fürchten die Ärzte am meisten?
Ich glaube, dass die Ärzte auf der ökonomischen Seite beglückt werden wollen.
Das heißt, sie wollen die Aufrüstung nicht selbst zahlen?
Wir haben die Elga so aufgesetzt, dass keine Aufrüstung nötig ist, mit Ausnahme einer bestimmten Software.
Wird sie vom Bund gefördert?
Der Bund übernimmt die Kosten für den Zugang der Patienten, also für die Online-Portale.
Theoretisch brauchen Sie die Ärztekammer nicht zur Umsetzung.
Mir ist es lieber, wenn die Ärztekammern mitmachen. Ich weiß, dass das in Wien nur mehr schwer erreichbar ist, aber vielleicht schaffen wir es bei den anderen.