Tolar: “Oberster Gerichtshof bestätigt Gesetzespfusch bei Abschaffung des §209″

Utl.: Richter hätten aber nach Straßburger Entscheid auch anders richten können

19. 2. 2003 – Wien (SK) “Selbst der Oberste Gerichtshof (OGH) hat nun bestätigt, dass die schwarz-blaue Mehrheit im Parlament bei der Abschaffung des Homosexuellenparagraphen 209 gepfuscht hat”, erklärte Günter Tolar, Bundesvorsitzender der SoHo (Initiative Sozialismus & Homosexualität) zur heutigen Entscheidung des OGH betreffend Strafmilderung von ‘alten’ Fällen nach Paragraph 209. “Bedauerlich ist aber, wie wirkungslos für österreichische Höchstrichter offensichtlich ein Urteil des Menschenrechtsgerichtshofs in Straßburg ist”, betonte Tolar und führte aus: “Wenn die OGH-Richter heute gewollt hätten, wäre abseits des schwarz-blauen Gesetzespfuschs auch eine Entscheidung im Sinne des Oberlandesgerichts Innsbruck möglich gewesen. Denn die endgültige Abschaffung des Paragraph 209 rechtfertigt natürlich die Milderung aller noch offenen Strafen nach diesem Unrechtsparagraphen, alles andere sind juristische Spitzfindigkeiten”.
Der OGH hatte heute mittag in öffentlicher Verhandlung entschieden, dass die Abschaffung des Paragraph 209 keine generelle Änderung der Rechtsgüterwertung darstelle und daher für alle bisher nach Paragraph 209 ausgesprochenen Strafen auch keine Milderung nach §31a StGB möglich ist.

Die Richter übten in der mündlichen Verhandlung aber deutliche Kritik am Parlament, da der vorsitzende Richter meinte: “Der Gesetzgeber kann alles machen, aber für uns ist rechtlich nach §31a StGB nicht mehr möglich. Es mag sein, dass es hier wichtige Umstände gibt, die aber in den Händen anderer liegen.”

Dazu stellte Tolar fest: “Der Gesetzgeber ist mit seinem Pfusch beim Strafrechtsänderungsgesetz 2002 (STRÄG 2002) schuld, dass nun weiter Unrecht bestehen bleibt.” Immerhin hätten die SPÖ-Abgeordneten Jarolim und GenossInnen bei der Beschlussfassung des STRÄG 2002 am 10. Juli 2002 einen Abänderungsantrag eingebracht, der genau für solche Fälle klare In-Kraft-Tretens-Bestimmungen vorgesehen hätte. “Diesen Abänderungsantrag hat die SoHo gemeinsam mit Rechtsexperten aus der LesBiSchwulen Community verfasst, nur haben ÖVP und FPÖ bei ihrem damaligen Gesetzespfusch natürlich keine Rücksicht auf diese Vorbehalte genommen und die Frage der Übergangsbestimmungen bewusst offen gelassen. Dafür haben sie heute vom OGH eine Rüge erhalten“, schloss Tolar.