30. 6. 2001 – Wien (SK) Eine “ersatzlose Streichung des mittelalterlichen Paragraphen 209 StGB” forderte Nationalratspräsident Heinz Fischer am Samstag Abend im Rahmen der Anschlussveranstaltung von “Europride 2001″. “Ich weiß, dass wir Handlungsbedarf haben, wenn wir uns nicht fortgesetzter Diskriminierung schuldig machen wollen”, appellierte Fischer an alle Nationalratsabgeordneten. Es gebe noch immer einen Berg von Vorurteilen, daher müsse man sich auch um den Abbau von Vorurteilen bemühen. “Das wird vielleicht noch einige Zeit dauern, aber die Abschaffung des Paragraphen 209 darf nicht am Ende dieses Prozesses stehen, sie muss vielmehr sofort erfolgen und diesem Prozess Impulse geben”, bekräftigte der Nationalratspräsident.
Fischer sprach sich weiter entschieden gegen die Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Beziehungen aus: “Hier handelt es sich um einen Bereich höchstpersönlicher Lebensgestaltung, wo der Staat nichts verloren hat, wo die Androhung von Gefängnisstrafen nicht Recht, sondern Unrecht schafft.” Derzeit werde alles mögliche privatisiert, nur dort, wo wirklich die private und persönlich Sphäre gewahrt und sichergestellt werden müsste, dort gebe es Einmischung des Staates. “Dazu sage ich Nein und dreimal Nein”, so der Nationalratspräsident.
Bezugnehmend auf die Rechtslage in anderen EU-Staaten, Beschlüsse, “die in jüngster Zeit von verantwortungsbewussten Parlamenten demokratischer Staaten gefasst wurden”, die Grußbotschaft der deutschen Justizministerin Herta Däubler-Gmelin sowie den Anfechtungsbeschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck, den Fischer mit positivem Interesse zur Kenntnis genommen hat, unterstrich der Nationalratspräsident weiter: “Es geht um mehr: Es muss nicht nur das Strafrecht in diesem Punkt entkriminalisiert werden, sondern es müssen auch gleichberechtigte Lebenschancen geschaffen werden, etwa im Spital, am Arbeitsplatz, bei Wohnungen, bei Besuchsrechten. Es gilt umfassende Gleichberechtigung zu schaffen.”
Fischer dankte den Veranstaltern für die Einladung zur Teilnahme an “Europride 2001″ und sagte: “Für mich ist das kein Routinetermin und kein Routinethema. Ich empfinde ein wachsendes Engagement und eine wachsende Verantwortung für dieses Thema.”
Europride, eine “bunte, pluralistische, friedliche und fröhliche Veranstaltung”, solle unsere Gesellschaft den Zielen der Gleichberechtigung näher bringen. Die Veranstaltung drücke den Anspruch auf Freiheit von Angst, Diskriminierung und Bevormundung aus. Diese Anliegen würden Aufmerksamkeit, Respekt und Unterstützung verdienen, brachte Fischer seine Unterstützung “als Bürger dieses Staates, Parlamentarier und Sozialdemokrat” zum Ausdruck.
“Ich wünschen Ihnen und ich wünsche uns, dass beim nächsten Europride im kommenden Jahr Freude herrschen kann über einen großen Schritt nach vorne, über die Abschaffung eines unseligen Paragraphen, über die Überwindung von Diskriminierung und einen großen Schritt zur Gleichberechtigung in Österreich und damit auch in Europa”, schloss der Nationalratspräsident. (Schluss) hm/mp