Forderung an Bundesregierung: Freie Wahl des Vornamens und Anerkennung des gelebten und empfundenen Geschlechts
Wien (OTS/SPW-K) – „Da das Leben in der eigenen Geschlechtsidentität für viele Transgender Personen nach wie vor mit diskriminierenden Hürden und Bestimmungen verbunden ist hat die Wiener Antidiskriminierungsstelle für gleichgeschlechtliche und transgender Lebensweisen für 2012/2013 den Arbeitsschwerpunkt auf das Thema „Transgender“ gelegt. Das Land Wien setzt in seinem eigenen Wirkungsbereich Maßnahmen zur Nicht-Diskriminierung und Verbesserung der Lebenssituation von Transgender Personen, wie z.B. im Personalschulungsbereich oder bei Behördenkontakten im Zuge von Personenstandsänderungen“, erläutert der SPÖ-Landtagsabgeordnete Kurt Stürzenbecher den Hintergrund zum heute im Wiener Landtag gemeinsam von SPÖ und Grünen eingebrachten Antrag über die Rechte von Transgender Personen.
Die Grüne Landtagsabgeordnete Jennifer Kickert ergänzt: „Seit Ende 2009 wird auf Bundesebene über ein Gesetz verhandelt, das die Personenstandsänderung von Transgender-Personen regeln soll. Nach wie vor werden Menschen durch die bestehenden Regelungen stigmatisiert. Es wird Zeit, dass die Bundesregierung sicherstellt, dass die Bestimmung der eigenen Geschlechtsidentität ohne jegliche Diskriminierung erfolgen kann.“
Der Wiener Landtag tritt daher für die Verbesserung folgender rechtlicher Bestimmungen auf Bundesebene ein:
A) Freie Wahl des Vornamens
Nach § 3 Abs. 1 Z 7 des Namenänderungsgesetzes (NÄG) darf ein Vorname nicht bewilligt werden, der „als erster Vorname nicht dem Geschlecht des Antragstellers entspricht“. Unter Geschlecht wird dabei der Eintrag im Geburtenbuch, nicht aber das tatsächlich gelebte und empfundene Geschlecht verstanden. Somit können transgeschlechtliche Menschen erst nach einer Personenstandsänderung, samt der damit einhergehenden psychiatrischen Begutachtung und Diagnose einer Persönlichkeitsstörung, einen ihrer Identität entsprechenden Vornamen annehmen. Ein passender Vorname ist als wesentliches Identifikationskriterium eine unabdingbare Voraussetzung für ein sozial und beruflich integriertes Leben. Nach wie vor aber werden durch das NÄG Menschen diskriminiert, die ihnen zugewiesene Geschlechterrollen nicht verkörpern können oder wollen. Das geschlechtliche Empfinden aller Menschen sollte auch von rechtlicher Seite ohne jede Diskriminierung respektiert und anerkannt werden.
B) Anerkennung des gelebten und empfundenen Geschlechts
Seit der Verwaltungsgerichtshof mit seinem Urteil vom 27.02.2009 den Zwang zu schwerwiegenden operativen Eingriffen für die Änderung des juristischen Geschlechts transgeschlechtlicher Menschen beendet hat, ist der Bedarf nach einer Novellierung des Personenstandsrechts evident. Dennoch wurden seitens des Innenministeriums bisher nur Gesetzesentwürfe vorgelegt, die nach wie vor auf den 30 Jahre alten Formulierungen aufgehobener Erlässe basieren, mit denen jahrzehntelang der Operationszwang exekutiert wurde und die Attestierung einer Persönlichkeitsstörung einfordern.
Dem gegenüber steht eine wissenschaftliche Entwicklung, die erkennt, dass transgeschlechtliche Menschen keineswegs als psychisch krank einzustufen sind und dass eine soziale und rechtliche Anerkennung im gelebten und empfundenen Geschlecht für die psychische Gesundheit und ein sozial und beruflich integriertes Leben unabdingbar ist. Für viele Transidente besteht auch die Notwendigkeit geschlechtsangleichender medizinischer Behandlungen, um einen schwerwiegenden Spannungszustand zwischen dem Körper und dem Identitätsgeschlecht zu beheben. Dem trägt etwa ein 2012 in Argentinien beschlossenes Gesetz zur Anerkennung der Geschlechtsidentität Rechnung, das die Selbstbestimmungsrechte transgeschlechtlicher Menschen zur Grundlage hat, ohne pathologisierende Diagnosen auskommt und gleichzeitig die medizinische Versorgung sicherstellt.
„Es muss auch in Österreich eine rechtliche Lösung gefunden werden, die sicherstellt, dass die Bestimmung der eigenen Geschlechtsidentität nur bei der einzelnen Person selbst liegen kann und die das gelebte und empfundene Geschlecht als Grundlage für Personenstandsänderungen anerkennt. Die Übernahme der Kosten notwendiger medizinischer Behandlungen durch die öffentlichen Krankenversicherungen muss dabei weiterhin sichergestellt bleiben. Die Bundesregierung wird aufgefordert den Halbsatz „als erster Vorname nicht dem Geschlecht des Antragstellers entspricht“ aus dem § 3 Abs. 1 Z 7 des NÄG zu streichen. Und die Bundesregierung wird aufgefordert eine rechtliche Grundlage zu schaffen, die Personenstandsänderungen ohne Zwang zu pathologisierenden Diagnosen unter Berücksichtigung des gelebten und empfundenen Geschlechts ermöglicht“, so beide Landtagsabgeordnete abschließend.